Zwei junge Frauen mit Megafon auf gelbem Hintergrund. In der Mitte Schriftzug

Was können junge Menschen gegen Einsamkeit tun?

4. August 2023

Einsamkeit ist ein Gefühl, das wir alle schonmal erlebt haben. Wir Menschen sind von Natur aus soziale Wesen. Wenn unser Grundbedürfnis nach Verbundenheit unbefriedigt ist, werden wir unglücklich. Dass wir uns manchmal vorübergehend einsam fühlen, ist völlig normal. Wenn dieses Gefühl jedoch dauerhaft anhält, birgt das gravierende psychische und physische gesundheitliche Gefahren.

Gezeichneter Wolf heult vor Vollmond

In einer zunehmend vernetzten Welt, mit zahlreichen Kommunikationsmöglichkeiten, scheint es erstaunlich, dass sich so viele Menschen einsam fühlen. Besonders junge und alte Menschen sind weltweit davon betroffen.

Was genau bedeutet Einsamkeit? Warum fühlen sich so viele Menschen trotz vielfältiger Möglichkeiten zur sozialen Interaktion einsam? Welche Auswirkungen hat Einsamkeit auf unsere physische und psychische Gesundheit? Und vor allem, wie können wir mit Einsamkeit umgehen und uns mit anderen verbunden fühlen?

Was ist Einsamkeit?

Um zu verstehen, was Einsamkeit ist, sollten wir zunächst klären, was Einsamkeit nicht ist. Nur weil jemand alleine ist, muss das noch nicht heißen, dass er sich auch einsam fühlt. Ein gemütlicher „Me-Time“ Abend auf dem Sofa mit Nackenkissen, Gurkenmaske und deiner Lieblingsserie, hat selten mit dem schmerzlichen Wunsch nach Verbundenheit zu tun. Auch ein Eremit, der allein in die Berge zieht, um spirituell zu wachsen, sich also freiwillig von der Gesellschaft zurückzieht, ist nicht einsam.

Einsamkeit ist ein starkes, negatives Gefühl, welches aus dem unbefriedigten Bedürfnis nach Verbundenheit zu anderen entsteht. Im Folgenden werden vier Arten der Einsamkeit erklärt:

Emotionale Einsamkeit

Wenn ein Mangel an Intimität herrscht, fühlen wir zu wenig emotionale Unterstützung. Wir haben das Gefühl, dass niemand da ist, der unsere Gefühle oder emotionalen Bedürfnisse versteht oder erfüllt. Wenn wir keine engen Freundschaften, Partnerschaften oder familiäre Unterstützung haben, kann das zu emotionaler Einsamkeit führen.

Bild von zwei Händen, die ein Herz Formen, mit der Beschriftung: "Emma & Lina #bestrfriends"

Soziale Einsamkeit

Hierbei fühlen wir uns ausgeschlossen oder abgeschnitten von sozialen Gruppen. Wir wünschen uns mehr Kontakt und Interaktion mit unseren Mitmenschen. Gedanken, wie „ich gehöre nicht dazu“ oder „ich bin außen vor“ sind typisch für soziale Einsamkeit. Opfer von Mobbing leiden häufig unter dieser Form der Einsamkeit.

Kollektive Einsamkeit

Damit ist das Gefühl gemeint, wenn wir uns zu einer größeren Gemeinschaft oder der Gesellschaft nicht zugehörig fühlen. Es kann auch bedeuten, dass wir uns in der Gesellschaft, in der wir leben, fehl am Platz fühlen. Wenn wir die Zugehörigkeit zu einem größeren Kollektiv vermissen, sind wir auch anfälliger für extremistische Propaganda.

Technologische Einsamkeit

Junge der verzweifelt vor einem Laptop sitzt.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung und dem verstärkten Einsatz von Technologie kann sich Einsamkeit aufgrund des Mangels an echten, persönlichen sozialen Interaktionen entwickeln. Gerade weil wir heute zahlreiche Kontaktmöglichkeiten im Internet haben, kann das Real-Life nicht vollständig ersetzt werden.

Einsamkeit als Pandemie

Dem Familienministerium des deutschen Bundestags zufolge leiden ca. 10-20% der Bevölkerung an chronischer Einsamkeit. Insbesondere alte und junge Menschen sind davon betroffen. Das Phänomen lässt sich weltweit beobachten. Der japanische Begriff „Hikikomori“ (sich zurückziehen) bezeichnet Jugendliche, die sich etwa aufgrund von negativen sozialen Erfahrungen in ihrem Zimmer einschließen und über Monate bis hin zu Jahren den Kontakt zur Außenwelt auf ein Minimum reduzieren. Außerdem gibt es heute mehr Singles denn je. Single zu sein erhöht die Wahrscheinlichkeit sich einsam zu fühlen für Frauen um das dreifache und für Männer um das neunfache.

Einsamkeit erhöht das Risiko für Herzerkrankungen um 29% und das Schlaganfallrisiko um 32%. Das entspricht 15 Zigaretten am Tag und ist eine größere Gefahr als Übergewicht oder Alkoholismus.

Chronische Einsamkeit ist nicht nur ein trauriges Gefühl, was wir loswerden wollen. Wir sprechen hier von einer lebensbedrohlichen Gefahr. Einsamkeit versetzt den Körper in einen Stresszustand (fight-or-flight-mode). Wenn dieser Zustand über Jahre anhält, kann das zu gesundheitlichen Problemen führen. Einsamkeit erhöht das Risiko für Herzerkrankungen um 29% und das Schlaganfallrisiko um 32%. Das entspricht 15 Zigaretten am Tag und ist eine größere Gefahr als Übergewicht oder Alkoholismus. Die Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken ist für einsame Menschen verdoppelt.

Psychische Folgen

Einsame Menschen haben ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Suizidgedanken. Einsamkeit kann eine Folge von sozialer Isolation sein. Wer etwa durch Ausgrenzung sozial isoliert wird, fühlt sich meist einsam. Isolationshaft gilt als eine der grausamsten Foltermethoden (z.B. in Gefängnissen) und kann zu Einsamkeit, starken Angstzuständen und Halluzinationen führen. Ähnliche soziale Gewalt findet sich auch häufig in Mobbingfällen, wenn Täter:innen das Opfer bewusst ausgrenzen.

Einsame Jugend

Neben Menschen im hohen Lebensalter sind auch junge Menschen häufig von Einsamkeit betroffen. Einsame Kinder sind schlechter in der Schule und anfälliger für Depressionen und Suizidgedanken. Ausgrenzung und Mobbingerfahrungen können Einsamkeit befeuern. Dabei kann es zu einem Teufelskreis aus Gedanken und Verhalten kommen:

  • Mobbing
  • Negatives Selbstbild
  • Negative Gedanken:
    • „Ich vertraue Menschen nicht“
    • „Menschen mögen mich nicht“
    • „Sie werden mich nie mögen“
    • „Deshalb mag ich keine Menschen“
    • „Da bleib ich lieber allein“
  • Rückzug Verschlimmerung
Zettel mit der Aufschrift: "Ich hasse Menschen"
Anonymer Feedbackbogen

Es ist wichtig, Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen frühzeitig zu erkennen und Unterstützung bereitzustellen, um ihre soziale Kompetenz zu fördern und ihnen zu helfen, Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Schulwechsel, Krankenhausaufenthalte und Krisen können Einsamkeit verschlimmern. Auch das Social-Distancing und die Schulschließungen während Corona sorgten dafür, dass viele junge Leute sich einsamer fühlten. Die psychischen Folgen der Pandemie dauern noch immer an.

Was können wir gegen Einsamkeit tun?

Wir wissen jetzt, dass Einsamkeit mehr als nur das Gefühl des Alleinseins ist. Sie kann eine ernsthafte Auswirkung auf unsere geistige und körperliche Gesundheit haben. Es kann uns allen passieren. Weltweit sind vor allem junge und alte Generationen betroffen. Daher ist es wichtig, dieses Problem anzugehen. Die Forschung im Bereich Einsamkeit ist noch recht jung und um die Zusammenhänge und Mechanismen noch besser zu verstehen sind weitere Untersuchen notwendig. Trotzdem gibt es Dinge, die wir tun können, um uns selbst und andere vor Einsamkeit zu schützen:

Gemeinschaft suchen

Auch wenn das Internet Einsamkeit begünstigen kann, bietet es zugleich Chancen diese zu überwinden. Wir haben die Möglichkeit uns mit Menschen zu vernetzen, die unsere Interessen und Hobbies teilen. Auch Vereine und Jugendtreffs sind gute Möglichkeiten, im echten Leben coole Leute zu finden.

Wenn du wissen willst, wie du sicherer online mit Leuten Kontakt aufnehmen kannst, schau doch mal in unseren Ratgeber zum Schutz vor Cybergrooming:

Professionelle Hilfe suchen

Wenn du das Gefühl hast, dass deine Einsamkeit überwältigend ist und dich stark belastet, scheue dich nicht davor, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Therapeut kann dir dabei helfen, Wege zu finden, mit deinen Gefühlen umzugehen und Einsamkeit zu überwinden.

Lasst uns reden

Einsamkeit ist noch immer ein großes Tabuthema. Die meisten Menschen schämen sich dafür, einsam zu sein. Sie haben oft Angst es zuzugeben und können sich mit dem Schmerz niemandem anvertrauen. Schon in der Kindheit beginnt diese Stigmatisierung („Haha! Du hast keine Freunde!“). Sozial gut eingebunden zu sein, ist oft hoch angesehen.

Daher ist es wichtig dieses Stigma abzubauen und das Sprechen über solche Gefühle zu normalisieren. Viele unserer Probleme werden schlimmer, weil wir nicht darüber sprechen. Um das zu ermöglichen, sollte der Raum für vertrauensvollen und vorurteilsfreien Austausch eröffnet werden. Auch Psychoedukation, also die Vermittlung eines psychologischen Verständnisses, hilft dabei eine Gesundheitskompetenz zu entwickeln. Experten sind der Meinung, dass Psychoedukation möglichst früh, etwa gegen Ende der Grundschulzeit, fester Bestandteil der Lehrpläne werden sollte, um Stigmatisierung vorzubeugen und psychische Resilienz zu Stärken.

Psychoedukation und Resilienzstärkung sind uns eine Herzensangelegenheit und werden in unserer Heldenakademie an Schüler:innen vermittelt. Außerdem lassen wir die Klassen ihren eigenen Normen- und Werterahmen aufstellen, um einen vertraulichen Austausch über schwierige Themen zu ermöglichen.

Quellen:

https://www.bundestag.de/resource/blob/833538/3db278c99cb6df3362456fefbb6d84aa/19-13-135dneu-data.pdf

https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/einsamkeit/3901

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22131197/

https://www.ted.com/talks/karen_dolva_all_the_lonely_people/transcript